Lenkung, Teil 1: Lenkgetriebe aus- und einbauen

Sep
1
2009

Auch wenn es manchmal recht einfach erscheinen mag, das eine oder andere Teil am Wartburg in Selbsthilfe zu warten oder instandzusetzen, so gehören insbesondere Lenkung und Bremsen am Fahrzeug in fachlich versierte Hände!
Immerhin geht es bei diesen Teilen nicht nur um die eigene Sicherheit, sondern auch um die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer.
Dieser Hinweis mag stereotyp mahnend daherkommen, so daß sich mancher darüber keine sonderlichen Gedanken mehr macht, dennoch will ich an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen:
- Wer nicht genügend von der Fahrzeugtechnik versteht, läßt besser die Finger von Arbeiten an Bremse und Lenkung!
- Wer entsprechende Arbeiten an seinem Auto selbst vornimmt und es geht etwas schief, so trägt er selbst die Verantwortung für sein Handeln!
- Es ist zu beachten, daß meine Beschreibung hier auf meiner Homepage unvollständig oder unrichtig sein können.
- Ich übernehme keine Gewähr für die Richtigkeit der von mir gemachten Angaben! Jegliche Haftung für beliebige Schäden und Folgeschäden schließe ich aus!

Nach 25 Jahren problemloser und wartungsarmer Nutzung ist mir das Lenkgetriebe kaputt gegangen. Ohne Geräusch, Anstoß oder ähnliches. Kurz vor der Garage habe ich auf abschüssiger Straße Seitenwind. Ich muß etwas Gegenlenken, jedoch reagiert der Wagen erst, nachdem ich das Lenkrad um eine halbe Runde gedreht habe. Sofort halte ich an, kontrolliere das Fahrgestell. Kein Plattfuß, kein defekt an den Kugelköpfen, Spurstangen, Hebelarmen. Auch die Hardyscheibe ist ok. und rein äußerlich ist kein Problem zu erkennen.
Also schleiche ich vorsichtig nach Hause, soviel Lenkspiel fährt sich nicht nur schlecht, ist auch gefährlich.
Angekommen alles noch einmal gründlicher kontrolliert und mein Verdacht erhärtet sich, das Problem liegt im Inneren des Lenkgetriebes.

Zum Glück kommt man an alle zum Ausbau des Lenkgetriebes erforderlichen Schraubverbindungen sehr gut ran. Der Wartburg kann auf den Rädern (in Geradeausstellung) stehen bleiben. Meine Spurstangenköpfe sind mit selbstsichernden Muttern gesichert, die findet man auch ohne hinzusehen. Mit dem Spurstangenkopfabdrücker sind die Kugelköpfe rechts und linksschnell aus ihrem Sitz befreit.
Bei mir geht das ohne Probleme. Das mag bei Fahrzeugen, wo seit Jahrzehnten keine Schraube gelöst wurde, anders sein.  

Als nächstes dreht man das Lenkrad eine halbe Runde, so daß an der Hardyscheibe (Gewebescheibe) die Schraubverbindungen zugänglich werden, die lenkgetriebeseitig sitzen. Auch diese sind schnell gelöst. Zuvor sind die Splinte zu entfernen.

Nach Lösen der 3 Halteschrauben am Lenkgetriebe läßt sich das Lenkgetriebe nach unten oder oben ausfädeln. Platz ist zum Glück genug vorhanden.  

Erfreulicherweise verfüge ich noch über ein niegelnagelneues Lenkgetriebe (20 Jahre Lagerung) der letzten Serie. Das AWE hat in Zusammenarbeit mit dem Werk in Ronneburg 1987 einen weiterentwickelten Typ herausgebracht. Dieser kann problemlos gegen das Vorgängermodell ausgetauscht werden. Zum 1.3'er sind die 353'er Lenkgetriebe nicht kompatibel. Der 1.3'er hat eine etwas geänderte Übersetzung und vor allem längere Spurstangen. Zumindest ist der hier geschilderte Arbeitumfang mit denen am Wartburg 1.3 identisch.
Wollte man die "modernen" Lenkgetriebe in ältere Fahrzeugmodelle einbauen, die noch nicht über die "Sollverschiebung" zwischen Lenkgetriebe und Lenksäule verfügen (also gerade Anschlußflansche), müßte die Lenksäule ebenfalls ausgetauscht werden. Schweißarbeiten an Lenkungsteilen sind grundsätzlich nicht statthaft. Insofern dürfte das neue Lenkgetriebe keine Alternative für z.B. 312'er Wartburgs darstellen, jedoch für Wartburg 353.

Um mir die später erforderliche Einstellarbeit zu erleichtern, nehme ich noch schnell Maß an den Spurstangenköpfen (Länge der herausschauenden Gewinde).
Während im "Wie helfe ich mir selbst - Ihling" von 13mm (reiner Gewindelänge) die Rede ist, habe ich ein Maß von ca. 30mm von Kontermutter zu Kugelkopfgehäuse auf beiden Seiten ermittelt. Beide Seiten sollten gleich lang sein. Für diejenigen, die jetzt stutzig werden: Meine Spur war perfekt eingestellt auf das übliche Maß von -2mm! Kein abnormales Reifenverschleißbild, keine schiefe Lenkung, auch keine Neigung zur Über- oder Untersteuerung. Ebenfalls ist mein Fahrwerk bis heute zum Glück ohne Karambolage geblieben. Aus diesem Grund stelle ich mein neues Lenkgetriebe auf die Werte meines alten ein.  

Hier im Bild sieht man das neue Lenkgetriebe im Vergleich zu dem alten. Es ist leichter, schlanker und AWE meint, wartungsfreundlicher.
Zusätzlich Winkel ich die Spurstangenköpfe 90° zu den Spurstangen und mit Hilfe eines langen Brettes richte ich die Spurstangen parallel zum Lenkgetriebegehäuse aus. Zwischen den Gewindezapfen der beiden Kugelköpfe ermittle ich ca. 96,2cm. Dieses Maß übernehme ich gleicher Weise auf mein neues Lenkgetriebe.
Neugierig, wie ich bin, öffne ich noch das neue Getriebe, um zu sehen, wie seitens AWE bzw. Werk Ronneburg 40g Fett an jeder Seite im Original aussehen.
Ohne das nun nachzuwiegen, aber die Fettfüllung sieht aus, als käme sie ohne Hilfe insgesamt nicht auf 20g. Ich fette also noch etwas nach...  

 

Die Spurstangenköpfe sind noch einwandfrei, also kommen Sie zusammen mit neuen Sicherungsblechen an das Lenkgetriebe unter Einbeziehung der zuvor ermittelten Abstände, die zu meinem Wartburg passen.  

Jetzt heißt es, das Lenkgetriebe einfädeln, und am Rahmen festschrauben. Interessant ist, daß Sicherungsbleche bei späteren Baujahren ab Werk auch serienmäßig weggelassen wurden!
Die Lenkradspeiche ist in waagerechte Position zu bringen, die Räder geradeaus, beide Spurstangen haben gleiche Länge, stimmt das alles, dann sollte der Anschluß des Lenkgetriebes ebenfalls sich in der Waagerechten (nach unten gewinkelt) befinden.  

Als nächstes werden die Spurstangenköpfe wieder mit den Spurstangen der Vorderachse verbunden, festgeschraubt und versplintet (sofern keine selbstsichernden Muttern zum Einsatz kamen). Die Sicherungsbleche für die Justage bleiben noch ungesichert.
Es empfiehlt sich diesen Vorgang in Geradausstellung der Vorderräder zu erledigen. So hat man gleich den passenden Überblick, ob die Lenkung "mittig" steht.  


Das Reparaturhandbuch ("Whims", 5. Auflage 1977) schreibt: "...die Kronenmuttern sind so zu befestigen, daß sie an der Gelenkscheibe aufliegen und nicht die Schraubenköpfe..." Mit anderen Worten, aber das gleiche meinend wird es im Werkstatthandbuch von 1984 (Baujahr meines Autos) beschrieben: "...Darauf achten, daß die Kronenmuttern auf dem Mitnehmer (also die Gewebescheibe) und die Schraubenköpfe auf den Flanschen aufliegen..."
Im Bild sieht man, daß ich es genau falsch herum gemacht habe. Asche auf mein Haupt, ich nahm an, es immer so verschraubt zu haben, wie ich es vorgefunden habe. Zumindest zu Zeiten des Digiknipps kann ich das nachrecherchieren.
Ok, ich muß da noch einmal ran und alle Schrauben wenden. Nach dem letzten Winter waren sie eh rostig... Sind die Schrauben eingefädelt, kann man das Lenkrad etwas drehen, um besser an alle Schrauben und Splinte zu kommen.