Lenkung, Teil2: Spur einstellen

Sep
1
2009

Auch wenn es manchmal recht einfach erscheinen mag, das eine oder andere Teil am Wartburg in Selbsthilfe zu warten oder instandzusetzen, so gehören insbesondere Lenkung und Bremsen am Fahrzeug in fachlich versierte Hände!
Immerhin geht es bei diesen Teilen nicht nur um die eigene Sicherheit, sondern auch um die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer.
Dieser Hinweis mag stereotyp mahnend daherkommen, so daß sich mancher darüber keine sonderlichen Gedanken mehr macht, dennoch will ich an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen:
- Wer nicht genügend von der Fahrzeugtechnik versteht, läßt besser die Finger von Arbeiten an Bremse und Lenkung!
- Wer entsprechende Arbeiten an seinem Auto selbst vornimmt und es geht etwas schief, so trägt er selbst die Verantwortung für sein Handeln!
- Es ist zu beachten, daß meine Beschreibung hier auf meiner Homepage unvollständig oder unrichtig sein können.
- Ich übernehme keine Gewähr für die Richtigkeit der von mir gemachten Angaben! Jegliche Haftung für beliebige Schäden und Folgeschäden schließe ich aus!

Nun kann das Einstellen der Vorspur beginnen. Auto auf eine ebene Fläche bewegen, Lenkrad waagerecht, Räder geradeaus. Vollgetankt und unbelastet, korrekter Reifendruck. Federn und Lenkung durch Rollbewegung entspannen (z.B. nach dem Hochbocken).
Wartburg mit Radialbereifung soll eine Vorspur von -3 bis -1 mm erhalten, günstig: -2mm
Wartburg mit Diagonalbereifung soll eine Vorspur von -1 bis +2 mm erhalten, günstig: 0mm
(Werte entstammen dem "Whims")

Bei Diagonalbereifung stellt man die Vorderräder möglichst parallel ein, bei Radialreifen sind vorn etwas weiter geöffnet. Meist denkt man im Gegensatz dazu an eine Vorspur, bei der die Räder vorn etwas nach innen geneigt sind.  

An dieser Stelle sei vielleicht eine kurze Erläuterung zu den Begriffen angezeigt und was es mit dem Vorzeichen bei der Spurangabe zu tun hat:
Die Gesamtspur einer Kfz-Achse ergibt sich aus der an den Felgenhörnern gemessenen Differenz zwischen dem vorderen und hinteren Abstand der Räder einer Achse.

Moderne Achsmeßgeräte geben die Spur aktuell in Winkelminuten statt Millimeter an, dadurch muß der Wert nicht mehr auf den Felgendurchmesser bezogen werden.

Mit Einzelspur bezeichnet man den Winkel eines einzelnen Rades in Bezug auf die Fahrzeuglängsmittelebene (um das Wort Längsachse hier zu vermeiden) an der Hinterachse, während die Einzelspur an der Vorderachse sich stets auf die geometrische Fahrachse bezieht.  

Die Vorspur wird stets durch ein positives Vorzeichen gekennzeichnet, wenn der vordere Abstand der Räder einer Achse kleiner ist, als der hintere Abstand an den Rädern derselben Achse.
Die Bilder veranschaulichen das. Natürlich zeigen die Pfeile nicht die Meßpunkte!  

Ein negatives Vorzeichen bezeichnet man als Nachspur. Hier ist der vordere Abstand der Räder einer Achse größer ist, als der hintere Abstand an den Rädern derselben Achse.

Den geringsten Reifenverschleiß hat man, wenn ein Rad geradeaus läuft und nicht "radieren" muß.
Aufgrund der gesamten Achsgeometrie (Sturz, Neigung, etc.) incl. des Federweges und der sich daraus ergebenden Änderungen auch beim Lenken, entstehen Kräfte, die bereits bei einfacher Geradeausfahrt wegen der Elastizität in den Radaufhängungen vorne nach außen drücken.
Daher werden die Räder angetriebener Achsen wegen der Antriebskräfte zusätzlich vorne zusammengedrückt. Zur Kompensation dieses Effektes werden die Räder in der Regel auf Nullspur (Wartburg 312, 353, 1.3 mit Diagonalreifen) oder sogar Nachspur (Wartburg 312, 353, 1.3 mit Radialreifen) eingestellt. Auf diese Weise stabilisiert die Spur den Geradeauslauf durch Verspannung der Reifenaufstandsflächen und verhindert damit ein Flattern und Radieren der Räder.


Der Wartburg 311, 313, F9 hat eine einstellbare Hinterachse. Hat man die Einzelspurwerte der Hinterachse ungleich eingestellt, muß man nun für die Geradeausfahrt die Vorderräder so eingeschlagen, daß die Winkelhalbierende der Vorderachsgesamtspur parallel zur Winkelhalbierenden der Hinterachsgesamtspur (= geometrische Fahrachse) steht. Dadurch fährt das Fahrzeug im "Dackellauf", und das Lenkrad steht auf einem leichten Lenkeinschlag.
Mit anderen Worten, man hinterläßt bei Geradeausfahrt 4 Spuren im Schnee. In diesem Fall sollte man nach Vorschrift bei diesen Fahrzeugen die Hinterachse einstellen.

Am Wartburg 312, 353, 1.3 ist die Einzelspur der Hinterachse konstruktiv festgelegt und kann nur durch Schweißarbeiten verändert werden, z.B. bei notwendigen Reparaturarbeiten nach einem Unfall.  

Genug der Vorrede, jetzt geht es an das Spureinstellen. Wer keine Möglichkeit sieht, es selbst zu machen, kann das bei vielen Reifendiensten und Werkstätten erledigen lassen.
Ich verwende eine selbstgebaute Einstellehre, wichtig ist, daß man stets an der gleichen Stelle der Felge (Kreidestrich am Reifen zur Markierung) mißt, um den Seitenschlag der Felge meßtechnisch außen vor zu lassen. Man muß bei jeder Änderung der Spur immer vorn und hinten an der Felge messen, da die Differenz zwischen beiden Werten dem entsprechen soll, was das AWE als Vosrspurwert angegeben hat. Dazu muß man den Wartburg des öfteren um eine halbe Reifendrehung vor und zurückschieben.  

Für diese Arbeit sollte man sich Ruhe nehmen und sich nicht ablenken lassen! Es kann passieren, daß einmal unlogische Werte aufreten, daher sollte man die Messung stoisch wiederholen, um sich der ermittelten Werte sicher zu sein. Da kommen schon mal 'zig Rollbewegungen und Messungen zusammen.  

 

Hier noch einige Tipps:

  • Gedreht wird per Maulschlüssel an der vorgesehenen Stelle und zwar nur an den Spurstangen.
  • Nach Möglichkeit ändert man die Längen beider Spurstangen symmetrisch, dazu später mehr.
  • Man sollte den Faltenbalg etwas zurückschieben, die Spurstange etwas fetten und die Manschetten dort hin und herschieben, damit sie bei den Drehbewegungen schön gleitet und nicht etwa einen dicken Knoten bildet.
  • Auch wenn man sonst alles fest im Griff hat, sollte man die Spurstange mit einem Kreidestrich versehen, um leichter die Zahl der (halben/ viertel) Umdrehungen zählen zu können.
  • Anfangs dreht man nur halbe Umdrehungen an der Spurstange! Später nur viertel! Man muß sich vorstellen, daß das Gewinde M12x1,5 bei einer halben Umdrehung schon etwa 1mm Längenänderung auf dem Gewinde hinterläßt. Hier geht es also nicht um große Runden, es sei denn, man liegt total neben der Spur.

Auf beiden Seiten der Achse sind die Gewinde Rechtsgewinde. So wie man hier auf den Maulschlüssel im Bild (Beifahrerseite) draufschaut,
- verkürzt man die Spurstange durch Bewegen gegen den Uhrzeigersinn,
- verlängert man die Spurstange durch Bewegen im Uhrzeigersinn.  

Jede halbe Umdrehung ändert deutlich die Spurwerte und auch die Stellung des Lenkrades (wenn das nicht auf beiden Seiten gleichmäßig vorgenommen wird).
Ausgehend von den voreingestellten Spurstangen habe ich nun wieder und wieder die Spurstange gedreht, (mit dem Meßschieber) gemessen und die Werte mit Kreide gleich auf den Boden geschrieben. Die Differenz jeder Zeile ergibt das gerade eingestellte Spurmaß.
Endlich habe ich den verlangten Wert von -2mm erreicht. Zwischendurch ist die Achse durch Rollbewegung gerade zu stellen.
Vor jeder Messung sind die Kontermuttern auf dem Spurstangenkopf festzuziehen.  

Dabei zeigte sich schon bald, da ich die Spur nur an einer Spurstange einstellte, daß sich das Lenkrad um eine Viertelumdrehung nach links bewegt hat, wie hier als Schatten im Foto dargestellt.
Nun könnte man dieses Abziehen und wieder waagerecht aufstecken. Das würde jedoch bedeuten, daß die eine Spurstange kürzer und die andere länger bei Geradeausfahrt wäre. minimal, aber unschön. Auch die Wendekreise wären in beiden Richtungen unterschiedlich.
Das zu korrigieren ist einfach.
Steht das Lenkrad nach links verdreht, kürzt man die linke Spurstange um den gleichen Betrag, wie man die rechte Spurstange längt. Am besten man geht dabei Schrittweise vor, in halben Umdrehungen, später in viertel Umdrehungen. Zwischendurch kann man mit festgezogenen Muttern am Spurstangenhebel eine Rollprobe machen. Wenige Meter auf dem Hof genügen.
Steht das Lenkrad nach rechts verdreht, macht man es gerade andersherum.
Anschließend prüft man ggf. die Spurwerte nochmals und vergißt nach dem Festziehen der Muttern nicht die Sicherungsbleche an die Muttern anzulegen. Die große Fläche zur Konusmutter hin und die kleine in Richtung Mutter spurstangenkopfseitig.

Fertig.