Fahrwerk und Rahmen

Dez
26
2006

Restauriert wird heute vieles.
Ich weiß, daß ich jetzt etwas provoziere, nach meiner Einschätzung unterscheidet sich das Herrichten eines Wartburgs in der heutigen Zeit kaum von der der DDR Zeiten. Einen gravierenden Unterschied gibt es aber dennoch: Während früher die Autos repariert und geklempnert wurden, um sie in Funktion und (Wiederverkaufs-) Wert zu erhalten (von Restauration sprach kaum jemand), so werden Wartburgs heute nur dann restauriert, um ein Prunkstück, einen Oldtimer (311'er Reihe) sein Eigen zu nennen - jedenfalls nicht, um ihn wie zu DDR-Zeiten täglich zu benutzen. Dafür ist so ein Schätzchen heute "zu schade" oder eher nicht mehr komfortabel genug. Wie gesagt, das ist meine Meinung. Ich beobachte die Leute, unterhalte mich mit ihnen und höre zu.
Obwohl der Zugang zu Schweißgerät, Blech, Farbe und auch Werkstatt heute um einiges leichter geworden ist, so wird der Wartburg dennoch meist so repariert und geklempnert, wie zu DDR-Hinterhofzeiten. Das mag provokant klingen, aber prüfen sie selbst einmal nach, indem Sie sich und anderen die Frage stellen, wie und wo der Wartburg restauriert wird. Ich komme zu dem Schluß, der Wartburg-Oldtimer ist gegenwärtig ein Old- und Youngtimer, der auch bei der Beschaffung von Ersatzteilen noch erschwinglich ist. Er hat viele Freunde gefunden, leider haben diese meistens ein Loch im Portemonnaie.
Aber zurück zur Frage, wo und wie repariert wird. Während Mercedes-Klassiker (und den anderen teuren Zeitgenossen) selbstverständlich in Deutschlands teuersten Karosseriewerkstätten aufs Maß und Blech gebracht werden, am Sattler nicht gespart wird, wird der Wartburg nach wie vor meistens in der heimischen Garage zusammen mit Freunden geschweißt, gebraten, gespachtelt und auf seine Räder gestellt. Eigentlich wie früher. Ein Glück, daß es so viele Liebhaber gibt, die dem Rost den Kampf angesagt haben, um den Wartburg als einen Klassiker zu erhalten.
Wie ich immer wieder feststelle: leider sehen zu viele Leute nur die 311'er (312'er) Reihen als wahre zu erhaltene Werte an. Sobald es auf die 353'er Typen geht oder gar auf die 1.3'er Variante, ist bei vielen (nicht allen!!) - auch ansonsten Wartburgfreunden - kein Gedanke an Geschichte, Tradition, erhaltenswerter Youngtimer zu verspüren. Wie der Weg aller Geschichte: in zehn Jahren sieht das vielleicht ganz anders aus! Melkus und Wartburg Sport nehmen einen besonderen Status ein. Dort steht der Kult und Wert außer Zweifel. Und wer hätte nicht noch ein Ersatzteil zum Verkauf und schmückt es gern mit dem Titel "313", obwohl es ganz deutlich nur für den 353 geeignet ist, um so endlich den echten Wert des Teils anzuheben.:-)

Was die Restauration angeht, so mancher geht es gerne gründlich an. Der Rahmen wird als unverwindbares Stahlgebilde eingestuft. Selbstverständlich greift man heute ohne zögern zum Sandstrahlen, wenn es darum geht, dem Rost und Dreck gründlich zu Leibe zu rücken, anschließend muß nur noch verzinkt oder mit Farbe gestrichen werden und fertig ist das Wartburgfundament.

Erstaunlich: mein Tourist hat einen weitläufigen Rahmen, einen 353'er Rahmen eben, der nur rel. kurze Karosserieausleger - im Vergleich zum 311'er - benötigt. Dennoch und das ohne ein je ein Unfall das Fahrzeug in Mitleid gezogen hätte, hat sich der Rahmen nach gut 20 Jahren täglichem Einsatz auf guten und schlechten Straßen gesetzt. Ich will nicht von verzogen sprechen, aber das trifft es eigentlich am ehesten. Meinen Sie, daß ein 311'er davon verschont bleibt?
Inzwischen habe ich die Karosserieauflagegummis vollständig ausgewechselt. Es trat natürlich eine spürbare Verbesserung ein, die Karosserie liegt nun nicht mehr auf dem Rahmen auf (Bei allen Wartburgs muß die Karosserie auf den 10 Auflagepunkten "schweben" und liegt normalerweise nirgends plan auf dem Rahmen!). Jedoch sind die verschlissenen Gummis nicht die alleinigen "Übeltäter". Der Wiederbelebungseffekt nicht sonderlich hoch.
Eine Messung ergibt sehr schnell: die Ausleger haben sich im Laufe der Zeit gesenkt, die Karosserie hat sich angepaßt, leicht Risse sind entstanden.
Wer kennt sie nicht, diese Risse:

Man schreibt diese Materialmüdigkeiten allem Möglichen zu, nur nicht der eigentlichen Ursache: Verspannungen und vor allem, wie diese im Laufe eines langen Autolebens entstehen.
Ist es nicht so, daß viele von uns Hobby-Restaurierern nicht eingestehen mögen, das sich auch der eigene Rahmen gesetzt hat, obwohl er vielleicht sogar unfallfrei blieb?
Er wird von Rost und Dreck befreit, blank gerieben und steht in seiner stählernen Wuchtigkeit da, als könne ihm nichts in den letzten 20 bis 40 Jahren angehabt haben. (Haben wir da ein Teil vom T34 in der Garage?). Gründlich Arbeit wird investiert, es wird geschweißt und repariert und schön lackiert. Anschließend kommt für die nächsten 20 Jahre die Karosserie draufgeschnallt, die hat immer gepaßt, warum sollte sie es nicht auch in Zukunft?
Bei Oldtimermercedes und Co würde man eine solche Vorgehensweise wohl nicht akzeptieren!
Sie werden vielleicht sagen, bei denen verzieht sich ja auch kein Rahmen, sofern vorhanden. Weit gefehlt! Die vierrädrigen Lieblinge aus den 50'er/ 60'er Jahren haben mehr Gemeinsamkeiten, als man dem äußeren Anschein nach glauben mag.

Ich habe Glück!
Mit meinen 312'er und 353'er Rahmen habe ich mehr Präzision aus Eisenach erhalten als jemals ein 311'er oder F9 zuvor. Ja, Sie haben richtig gelesen! Seit der Einführung der 312'er Rahmen 1966 bis zu den letzten 1.3'er Rahmen sind allein die Führungen der Querlenker aller einzeln aufgehängten Räder maßgenauer angefertigt, als bei den Vorgängern! Während der Querlenker eines 311'ers noch geduldig seine Spannweite an dem einen oder anderem Fahrzeug weiter oder schmaler spreizt - es sind ja Einzelteile, Sind mit dem Baumuster 312, 353 und 1.3 die Toleranzen klein geworden. Die aus "einem Stück gepreßten" Querlenker erlauben keinen Spielraum. Ebenfalls ist das umständliche Einstellverfahren der Spur an der Hinterachse eines 311'ers entfallen. Dies kann natürlich auch ein Nachteil sein, denn wenn an einem 312'er Rahmen Spur und Sturz nicht stimmen, muß der Rahmen gerichtet werden (auftrennen, justieren, schweißen). Einstellen kann man nur die Vorspur.