Radlager vorn wechseln

Okt
26
2003

Irgendwann erreichen bestimmte Baugruppen die Verschleißgrenze, so auch die Lager der Vorderachse.

Was erwartet einen, wenn man diese Teile zerlegen muß? Hier ein paar Tipps von mir. Meine letzte Fahrwerksrenovierung war im September 2002. Das linke Vorderrad, welches zu dieser Zeit nicht überholt werden mußte, war jetzt, ein Jahr später, fällig. Hier die bekannte Darstellung mit der Abstandshülse (7), wie sie wirklich eingesetzt werden muß!

Man sollte in jedem Fall folgende Teile (Menge pro  Seite) bereithalten:

1 x Splint für Antriebswelle
1 x Splint für Kugelgelenk (Lenkung)
1 x Sicherungsblech für Kugelgelenk (unten)
1 x Wellendichtring (Antriebswelle) D45 x 60 x 7
1 x Wellendichtring (Nr. 9) D55 x 75
1 x Rillenkugellager (Nr. 2) 6307 Güte C2 (DDR-Angabe)
1 x Rillenkugellager (Nr. 8) 6009 Güte C2 (DDR-Angabe) 
Am besten verwendet man für beide Lager gekapselte Varianten. Je nach Bedarf sollten auch Ersatzkugelköpfe (2 für Lenkerlager, 1 für Spurstange + Splint) bereitliegen. Wer  bei dieser Gelegenheit die Manschetten der Antriebswelle erneuern will: jetzt ist hier die beste Gelegenheit.
Spezialwerkzeuge sind für den Wechsel der Radlager nicht unbedingt nötig, jedoch sehr hilfreich. Unverzichtbar ist meiner Meinung nach ein Schraubstock.

Ein Federspanner erleichtert auf jeden Fall die Arbeit, ist aber nicht zwingende Voraussetzung. Ebenso hilfreich sind Werkzeuge für das Montieren und Demontieren der Lager und Dichtringe. Ohne eine entsprechende Ersatzvorrichtung in Form eines passenden Rohres wird es kaum gehen. Hinzu kommen noch ein Abdrücker für den Spurstangenkopf und ggf. die Kugelköpfe des Querlenkers.
Solange das Auto noch auf seinem Rädern steht, entfernt man den Splint und lockert die Mutter der Antriebswelle und die Schrauben des Bremssattels, danach baut man das Vorderrad ab. Es folgen der Spurstangenkopf und die Kugelgelenke.

Die Demontage ist manchmal nicht ganz einfach, weil Muttern zu weilen sehr fest sitzen können, sogar die Mutter für die Antriebswelle außen. Sie können dies vermeiden, wenn Sie sich zur Angewohnheit machen, alle Schraubverbindungen vor dem anziehen zu säubern und einzufetten. Ebenfalls leicht eingefettet werden die Koni der Kugelköpfe
Im Bild oben sind die "inneren" Teile zu sehen, die es zu lösen gilt. Wobei man die Bremsschläuche nicht demontieren muß. Auf keinen Fall sollten die Schläuche deformiert werden oder gar als "Hängevorrichtung" für den Bremssattel dienen.

Da man hier an Teilen der Lenkung und der Bremse arbeitet, sollte hier nur derjenige Hand anlegen, der weiß, was er dort macht. Beim Zusammenbau auf die z.T. Spezialschrauben und Sicherungsbleche bzw. -splinte achten! Die Sicherheit hängt davon ab!
Die Gelenkwelle muß zwar gelöst werden, kann aber im Getriebe verbleiben, sofern sie zuverlässig vor dem Herausrutschen gesichert wird (mit Draht an der Feder festbinden). Das gleiche gilt für den Bremssattel der Scheibenbremse.
Wer einen solchen Abzieher hat, hat es leichter, den Mitnehmer aus den Radlagern herauszuziehen. Ansonsten bringt man den Antrieb auf die Werkbank und kann mit einem Weichmetalldorn den Mitnehmer von hinten heraustreiben.
Der Einsatz dieses Werkzeugs setzt voraus, daß das Fahrzeug sicher steht und die Antriebswelle locker ist!
Bei Wartburgs ohne Scheibenbremse weicht die Demontage an dieser Stelle ab. Da ähnelt die Vorderachse eher der Hinterachse ;-)

Vorweg an dieser Stelle: sofern die Bremsscheiben  verschlissen sind, müssen diese auf beiden Seiten gleichzeitig erneuert werden.
Ist das Spritzblech weggerostet, empfiehlt sich dieses ebenfalls zu ersetzen.
Gesetzt den Fall, Sie verfügen nicht über ein so schickes Werkzeug, wie ich, müssen Sie den gesamten Antrieb ausbauen. Für gewöhnlich geht die Demontage bis zu dem Moment, an dem man Radnabe und Bremsscheibe vor sich auf dem Boden zu liegen hat, leicht. Sollte die Antriebswelle nicht freiwillig herausrutschen, auf keinen Fall zum Hammer greifen! In dieser Situation gibt es zwei Möglichkeiten: 
  1. Man baut den Antrieb komplett aus, um sich der Angelegenheit auf der Werkbank widmen zu können oder 
  2. man verfügt über einen Abdrücker, der befestigt an den Radmutterbolzen die Antriebswelle herauspreßt.
Wie bereits erwähnt, ist der Radmitnehmer, der mit der Bremsscheibe verschraubt ist, ist "nur" in die Radlager gesteckt. Diese Verbindung zu trennen, ist nicht unbedingt einfach, wenn man hierfür keinen Abdrücker hat. Entsprechend dem Handbuch, darf man das Teil zart im Schraubstock einspannen und mit einem passendem Stück Weichmetall und einem Bello den Radmitnehmer aus seinem Sitz treiben.
Dennoch sollte man nicht mit dem Hammer schrauben, eher mit dem Schraubstock abdrücken, wo es geht. Manchmal muß man sich auch aus einem Winkeleisen eine Abrückvorrichtung bauen, um z.B. den Radmitnehmer von der Bremsscheibe zu trennen.
Leider sind die Werkzeuge für die Radlager usw. nicht mehr erhältlich und man muß etwas improvisieren.
Geschafft, der schwierigste Teil ist überstanden! Alle weiteren Schrauben sollten jetzt kein Problem mehr darstellen. Anschließend die Teile gut reinigen.
Manchmal kommt es vor, daß ein Kugellager keinen festen Sitz hatte und im Laufe der Zeit den Lagersitz auf dem Radmitnehmer "ausgefräst" hat. Dann kann man oft den Radmitnehmer nicht mehr vom Lager trennen, geschweige denn weiter verwenden. Das sieht man aber erst während der Demontage. Es ist also gut, wenn man so einen Radmitnehmer da hat. Die Radmitnehmer der Typen 312, 353 und 1.3 sind untereinander nicht kompatibel. Insbesondere 353 und 1.3 sehen sich zum Verwechseln ähnlich.

Links im Bild sieht man den verschlissenen Mitnehmer.
Ebenso kann der Lagersitz in der Radnabe (unten links im Bild) ausgelutscht sein. Auch diesen sollte man ggf. ersetzen können. Das äußere Radlager muß straff in der Nabe sitzen und darf nicht lose "reinfallen".

Natürlich benötigt man Wälzlagerfett, Waschbenzin und auch Rostschutzfarbe (für das Spritzblech - nicht mit der gebührenden Pflege geizen). Alle Teile sind, wie schon gesagt, sorgfältig auszuwaschen und vor Rost zu schützen.

Unter anderem im Bild zu sehen: Teile der Hinterachse.
Für den späteren Zusammenbau sollte man sich die Reihenfolge merken und die Abstandshülse nicht aus Versehen verkehrt herum einbauen. Dies Abstandshülse gehört mit der weiten Öffnung zuerst in die Radnabe!
Achtung aufgepaßt: Die Explosionsdarstellung in den meisten Büchern zeigt die Einbaulage der Abstandshülse in falscher Richtung! 

Die weite Öffnung zeigt zum Lager 6009, die enge Öffnung in Richtung Gelenk der Antriebswelle. In der Grafik oben habe ich das korrigiert.
Nehmen Sie sich die Zeit, das Spritzblech zu reinigen und gegen Rost zu schützen. Leider sind intakte Spritzbleche kaum noch aufzutreiben.
Ebenfalls sollten Sie das Schwenklager gründlich reinigen, entrosten und vor weiterem Rost schützen. Nur weil dieses Teil aus Gußeisen besteht, heißt dies nicht, das Rost es nicht unbrauchbar machen kann.
Setzen Sie den von innen gut gefetteten Dichtring ein. Hierfür wird das Werkzeug (1) verwendet. Wer dieses nicht hat, kann ein passendes Rohr oder ein Kugellager entsprechenden Durchmessers verwenden.
Der Dichtring wird plan eingesetzt. Anschließend kann man das gut gefettete Radlager 6307 in das Schwenklager eingepreßt werden. Ein geringer Teil des Radlagers ragt in die Radnabe hinein.
Werkzeug (2) und (3) dienen der Demontage und Montage des Radlagers 6009 und des äußeren Dichtringes in der Radnabe, ebenfalls in der passenden Tiefe.

Bevor man Radnabe und Schwenklager miteinander verschraubt, muß das dazu gehörende Spritzblech aufgesteckt und der Gummiformring eingesetzt werden.
Schon halb eingepreßtes Radlager 6009. Mit dem Distanzring des Werkzeuges, wird es auf die richtige Einbautiefe gebracht. Wer das Werkzeug nicht besitzt, muß darauf achten, daß das Lager nicht verkantet und in die richtige Tiefe gepreßt wird. Mit einem Stück passenden Rohres geht das auch, jedoch nur auf den Außenring drücken!
1 - Einpreßwerkzeug
2 - Abstandsring zum Einpressen des Lagers

Nachdem das Lager auf seiner Position sitzt, wird der Abstandsring gegen den Simmering gewechselt und daas Werkzeug  (1) dient jetzt zum Eindrücken des Simmerringes

3 - Radnabe
4 - Fluchtdornwerkzeug

Einbaufertig montierte Radnabe
Links: vorbereitete Radnabe, gut gefettet.
Rechts: alte Radnabe mit verbrauchtem Fett und Radlager.
Gummiring nicht vergessen. Dieser wird leicht eingefettet, bevor man die Radnabe endgültig mit dem Schwenklager verbunden wird.
Der weitere Zusammenbau erfolgt in umgekehrter Reihenfolge zur Demontage. Die Mitnehmerverzahnung der Antriebswelle ist leicht einzufetten.
Man kann, wie im Bild zu sehen, die durchgesteckte Antriebswelle verwenden, um die Radnabe, die inzwischen wieder mit der Bremsscheibe verschraubt ist, in die Radlager zu ziehen. Dabei ist der Mitnehmer zu arretieren.