Motor Wartburg Camping 312 - Nr. 1

Dies ist der 1. Motor meines Wartburg Camping. Vom Vorbesitzer weiß ich, daß der Motor noch "erster Schliff" ab Werk ist, nur nach 50.000 km mußte die Kurbelwelle wegen Lagerschadens gewechselt werden. Heute hat der Motor, der übrigens im Dezember 1966 gebaut wurde, etwa 150.000 km auf dem Tacho und klingt schon etwas klapprig, fährt aber ansonsten ohne Probleme. Da ich das Auto jedoch als solches auf jeden Fall zuverlässig benötige und auch der Freilauf so seine Macken hat, habe ich mich also entschlossen, den Motor aufzuarbeiten. Da alles an dem Auto so schön im Original vorliegt, kam für mich hier nur eine Reparatur in Fragen, bei der möglichst die Originalteile wieder zum Einsatz kommen. D.h., die Kolben müssen nun zwar neuen weichen, da ein nächster Schliff dies nun einmal erfordert, aber die Kurbelwelle und alles übrige wird wiederverwendet.
Der Motor wurde von Fa. Kühnapfel geschliffen und gehont, während die Kurbelwelle in der Eisenacher Kurbelwellenmanufaktur zerlegt und auf Vordermann gebracht wurde. Die Schrauben und Muttern bekamen wieder eine Schicht Zink, den Rest habe ich dann komplett allein bearbeitet. Immerhin hat auch der Zylinderkopf seine Zeiten erlebt und die Wasserpumpe hatte das Aufarbeiten auch dringend nötig, auch wenn sie bis Dato ihren Dienst klaglos verrichtet hat.


Wie üblich, steht am Anfang das Demontieren aller Anbauteile und Seilzüge. Im Unterschied zu früher, habe ich den Motor diesmal nicht komplett mit Anbauteilen in einem Ruck aus- und wieder eingebaut (in der Regel zusammen fahrfertig in 4 Stunden), sondern das gute Stück scheibchenweise abgetragen. Ich denke, das schulde ich meiner Wirbelsäule, nicht mehr so sorglos 90 kg herauszuwuchten. Also habe ich alles vom Motor abmontiert, was an Anbauteilen so dran hängt, incl. des Zylinderkopfes. So wiegt der Motor nicht mehr ganz so viel.

Wer in Sachen Wartburg nicht ganz so fitt ist, oder diese Arbeiten zum ersten Mal macht, sollte sich Anschlüsse und Schrauben entsprechend sortieren, markieren oder z.B. Fotos machen.

Mir macht das immer noch spaß, am Wartburg zu schrauben, sofern ich nicht immer an der gleichen Stelle schrauben muß, innerhalb weniger Wochen, weil z.B. ein Fehler mich dazu zwingt.
Recht praktisch am Wartburg 312/ 353 ist, bedingt durch die Bauform des Hauptschalldämpfers, daß man diesen an seinem Rohr bzw. der Halterung "auf den Rahmen hängen kann", wo er sicher liegen bleibt.
Der Anlasser ist oft schwer zu erreichen oder gar herauszunehmen, aber wenn man oben herum alles entfernt hat, muß man nicht einmal unter das Auto dazu kriechen. Ebenso ist es nicht erforderlich, die Motorseitenbleche abzubauen, über die die Wartburgs der Reihen 311, 312, 313 verfügen. Das man zuvor die Batterie abgeklemmt haben sollte, ist selbstverständlich.
Alles gelöst, nichts vergessen? Dann kann der Motor herausgenommen werden. Zum Schutz vor zufälligen Begegnungen, liegt eine dicke Decke über der Schürze und Stoßstange.

Um die Stehbolzen zu entfernen, kontert man 2 Muttern. Sollte ein Stehbolzen sich nicht freiwillig lösen, kann man ihm während man am Ringschlüssel zieht, mit dem Hammer einen kleinen Klapps geben, aber niemals auf das Gewinde schlagen!
Das löst auch hartnäckige Fälle.
Bevor man die Schwungscheibe demontiert, sollte man auf dieser nach einer Null-Markierung suchen. Die sollte sich im oberen Bereich finden, d.h., wenn Kolben 1 sich im OT befindet. Jedoch tragen nicht alle Schwungscheiben eine Markierung und so empfehle ich, selbst eine anzubringen. Bei alten Motoren wurde Schwungscheibe zusammen mit dem Kurbeltrieb ausgewuchtet (Null-Marke), so daß bei jedem Wechsel ein erneutes Auswuchten erforderlich wurde. In späteren Jahren wurden Kurbelwellen und Schwungscheiben getrennt voneinander ausgewuchtet, so daß man die Schwungscheibe in jeder Lager an der Kurbelwelle anschrauben kann.
Das dürfte letztlich für den überwiegenden Teil der heutigen Motore gelten.
Der Motorblock wird zerlegt; die Schrauben haben unterschiedliche Längen, man sollte sich also merken, wo welche hinein kommt. Der Druck auf die Federscheiben ist enorm, eine zerfiel bei der Demontage. Die Spezialschrauben am Motor haben eine bestimmte Güte. Wer zwischenzeitlich die Schrauben galvanisieren läßt, sollte bewußt darauf achten, ob er die richtigen Schrauben wieder verwendet!

Nach 150.000 km sehen die Kolben geradezu perfekt aus, alle Kolbenringe sind sauber und frei beweglich, ebenso ist eine makellose Kolbenoberfläche festzustellen, mit wenig Ölkohle. Dennoch hatten die Kolben im OT schon einiges an Spiel und klapperten.
Auch die Kurbelwelle (45PS) sieht passabel aus, jedoch kippelten die Hauptlager schon heftig nach allen Seiten! Zeit für eine Reparatur!
Auch beim Zerlegen gebrauchter Kurbeltriebe verwendet man keinen Hammer, sondern drückt die Kolbenbolzen aus ihrem Sitz, ohne die Pleuel zu verbiegen. Dafür gibt es entsprechende Werkzeuge. Man kann sich auch mit einer Schraubzwinge behelfen.
Das Nadellager hinter der Schwungscheibe war komplett verharzt und voll von Abrieb. Nach entsprechender Reinigung und mit frischem Fett versehen, konnte dieses wiederverwendet werden.

Der gereinigte Motorblock kann nun in die Werkstatt.

Die Ziffern auf der Dichtfläche der Vergaserseite besagen, daß eine Abweichung der Angaben zu den Kolbenmaßen bestehen. Hier im Beispiel hat jeder Zylinder 2 Zehntel übermaß. Diese Angabe ist nun unwichtig geworden, da mit dem neuen Schliff neue Maße gelten.
Die Keilriemenscheibe mit der Kolbenringabdichtung läßt sich mit Hilfe eines Cuttermessers gut zerlegen, reinigen und zusammenbauen. Das grüne Zeugs da im Bild ist ein spezielles Fett.

Im übrigen sind Kurbelwellen alter 900cm³ Motore früher 311'er und 313'er Wartburgs nicht mit denen kompatibel aus 312'er und 353'er Motore.
Jedoch läßt sich auch bei diesen alten Motoren die Abdichtung von Simmering auf Kolbenring umrüsten, was auch von den verbliebenen Motorenwerkstätten empfohlen und praktiziert wird. Die Originalität ist dort von außen nicht zu erkennen und ein Fahrzeug, daß im Jahr kaum einmal gestartet wird, schwächelt schnell an einem vertrockneten undichten Simmering.