Getriebe 312 teilweise demontieren

Der Freilauf des Getriebes funktioniert nicht mehr einwandfrei. So mancher kennt das Spiel sicher. Man steht an der Ampel, will losfahren und nur der Motor heult auf und man kommt keinen Meter voran! Nun muß man Sekunden warten, bis der Motor abgetourt hat, und den Freilauf sperren, bevor man wegkommt. Die anderen Autofahrer reagieren gereizt, obwohl das alles nur einen kurzen Moment gedauert hat. Das nervt! Ewig mit gesperrtem Freilauf zu fahren, läßt auch wenig Freude aufkommen.

Den Anlaß der Reparatur meines Motors nutzend, will ich an dieser Stelle von der Reparatur des Getriebes meines Wartburg Camping 312 berichten.
Wie ich nun gesichert weiß, hat mein Auto ca. 150.000km auf dem Tacho. Das ist nach 39 Jahren scheinbar nicht viel, jedoch bedeutet das im Detail, daß einige Baugruppen ihr "Verschleißmaß" erreicht haben. So konnte ich den Freilauf im Grunde nicht nutzen, er dreht an allen unpassenden Stellen stets frei. Motor und Getriebe habe ich mir zur Zeit der Restauration des Fahrgestelles "aufgespart" - nicht nur aus Zeitgründen.
Nebenbei erwähnt, ich habe das Getriebe allein ein- und ausgebaut, wer kann sollte sich jedoch helfen lassen. Um den Freilauf zu reparieren, benötigt man einen langen filigranen und einen größeren Abzieher. Ohne diese beiden Werkzeuge - wenig Chancen!
Mir hat Wartburgfreund Kuli von Zeit zu Zeit telefonische Aufmunterung gegeben, das hilft auch einiges!
Zum Glück sitzen die Wellen ohne spürbares Spiel in ihren Lagerungen, die Simmeringe sind dicht und es befindet sich auch nichts verdächtiges an den Magnetstopfen. Mehr als Arbeiten am Freilauf möchte ich niemanden empfehlen. Ist mehr zu reparieren, rate ich jedem einen entsprechenden Spezialisten aufzusuchen.


Klar, das Getriebe ist auf geeignete Weise abzustützen, wenn der Motor ausgebaut ist.
Massekabel, Tachopese, Schaltung, Freilaufzug müssen gelöst werden. Man kommt an alles ganz gut heran, wenn man den Kühler herausgenommen hat.
Sofern noch nicht geschehen, ist das Auto aufzubocken, die Vorderräder abzunehmen.
Es gibt unterschiedliche Kugelgelenke. Oft findet man an der 311/ 312'er Schaltung solche, die zur Sicherung gegen unabsichtliches Auseinanderfallen eine kleine Spange verwenden. Diese ist nach unten zu ziehen, danach läßt sie sich in Richtung des Gewindezapfens herausziehen. Gut aufbewahren. Die kleine Spange muß später in die dafür vorgesehene Bohrung in den Kugelkopf eingesetzt werden.
Für die, die es noch nicht wissen, die Gummirolle der Betätigungswelle läßt sich abgeschrauben.
Bevor das Getriebe herausgenommen werden kann, sollte man beide obere Schwenklager der Vorderräder lösen.
Die Bremstrommeln sind zu sichern.
Die Bremsschläuche dürfen nicht belastet werden.

Um mir die weitere Arbeit zu erleichtern, habe ich die Antriebswellen mit Gummiseilen nach oben gebunden.

Nun wären noch die Antriebsmanschetten zu lösen und natürlich die Getriebeaufhängung hinten.
Das Getriebe wird vorsichtig auf die Seite geneigt, so bekommt man genug Platz, um eine Antriebswelle auszufädeln. Man muß aufpassen, das die Kugeln des Dreifingergelenkes nicht abrutschen und die Nadeln herunterfallen. Alles ist extrem glitschig. Ein Gummiband sichert das Gelenk. Durch die Gummibänder klappen die Antriebswellen noch oben und man kann sie sanft "aus dem Weg schieben". Hat man das auf beiden Seiten gemacht, kann man das Getriebe vorsichtig herausheben. Damit das Getriebe nicht unsanft hinten von der Auflage rutscht und herunterknallt, verwende ich einen stabilen Strick, den ich um das Getriebe hinten schlinge, mit einem Griffstock. Damit kann man Getriebe schön vorn und hinten packen und herauswuchten.
Draußen angekommen, schützt man natürlich die Antriebsglocken vor Verschmutzung und läßt das Öl ab.
Man löst den Tachoantrieb (2 Schrauben) und zieht diesen heraus. Nach Abnehmen des Tachodeckels, ist die Tachoscheibe zu lösen. Damit sich nicht alles mitdreht, kann man durch die Ölablaßschraube die Freilaufglocke festhalten.
Normalerweise käme jetzt ein Spezialabzieher zum Einsatz, um die Tachoscheibe von der Welle zu ziehen. Wartburgfreund Kuli gab mir in dieser Hilflosen Situation Rat und so muß man ein wenig Ruckeln und Zuckeln und das gelöste hintere Gehäuse so zur Seite drücken, daß der Sperrhebel des Freilaufmitnehmers aus der Führung rutscht.
Ist das Gehäuse ab, kommt man bequem an die Tachoscheibe und der Freilauf kann weiter demontiert werden. Ein Sicherungsringe ist zu entfernen. Der Freilaufkäfig läßt sich leicht herausziehen, man sollte sich merken, wie die zentrale Feder darunter im Käfig sitzt, natürlich muß man auf die 10 Rollen achten. Es wäre dumm, wenn eine in das Getriebe herein fällt.

Für den Freilaufstern bedarf es eines langen (verlängerten) zierlichen Abzieher, anschließend ist noch ein Sicherungsring zu entfernen.

Deutlich erkennt man schon hier den Verschleiß.
Mir sind nach Recherche div. Literatur nur 2 Varianten Freilauf bekannt:
Bis zum Jahr 1963 wurde beim 311'er Getriebe ein gezahnter Freilaufstern verwendet, der über 9 Rollen und 9 Federn verfügte. Dieser hat kein Käfig.

Ab 1963, und in ähnlicher Bauweise auch beim 353'er Getriebe, kam ein Freilauf mit Nocken, Käfig, Zentralfeder und 10 Rollen zum Einsatz. Beide Freilauftypen können vollständig gegeneinander ausgetauscht werden, sowohl beim Getriebe BM 311, als auch BM 312. Einzelteile der Freiläufe sind jedenfalls unterschiedlich und nicht untereinander zu verwechseln.

Meine Ansicht: der Produktionsaufwand für das alte Modell ist erheblich, dafür gleicht es Verschleiß dauerhaft aus. Die einzelnen Federn samt Hülsen können sich stark abnutzen.
Das Modell ab 1963 läßt sich einfacher herstellen, jedoch ist es nicht in der Lage, Verschleiß auszugleichen. Der Freilauf wird dann unbrauchbar. Die Anzahl Kleinteile ist verschwindend gering.
So sieht das Modell bis 1963 aus.
Deckel von der Rückseite, mit eingesetzter Feder (Keil).
Bei diesem Freilauf handelte es sich um ein Gebrauchtteil. Man kann schon etwas Verschleiß an den Federbuchsen und Rollen erkennen. Jedoch sind diese Laufmarken nicht weiter tragisch. Bauart bedingt, funktioniert der Freilauf in jedem Fall, solange die Federn in Ordnung sind. Die 9 Federn sollten gleich lang sein. Ein übertriebenes Dehnen sollte man vermeiden, sonst reiben die Rollen unnötig im Freilauf.
So sieht das (geschlossene) Modell ab 1963 aus. Der Freilaufnocken mit Käfig und 10 Rollen.
Die linke Feder (Keil) nimmt den Freilaufnocken auf der inneren Welle (vom Motor kommend) mit, die rechte Feder die Freilaufglocke auf der äußeren Welle (getriebeseitig). Beide Wellen sind ineinander gesetzt wie Minuten- und Stundenzeiger einer Uhr.